Die Mauereidechse (Podarcis muralis)
Als mittlerweile etablierter Neozoen breitet sich die Mauereidechse zunehmend in Sachsen- Anhalt aus.
Mit einer Länge von meist unter 20 cm liegt sie im Größenvergleich zwischen Wald-u. Zauneidechse.
Noch vor wenigen Jahren wurde angenommen, dass die aus südlichen Gefilden, wie Frankreich, Italien und dem Balkan stammende Art auf sehr wärmegetönte und trockende Standorte angewiesen ist. Nach heutigem Kenntnisstand trifft das aber nicht zu. Selbst in Bremen, wo das Klima nicht gerade als mediterran bezeichnet werden kann, fühlt sich die Art wohl und hat dort in wenigen Jahren einen großen Bestand im hiesigen botanischen Garten aufbauen können.
Der Erstnachweis der Art gelang für Sachsen- Anhalt 2005 im botanischen Garten in Halle/Saale. Eine genetische Beprobung ergab, dass die Gründertiere aus dem Steinbruch Ammelshain östlich von Leipzig stammen. Vermutlich wurden die Tiere absichtlich dort ausgesetzt. Es handelt sich dabei um die Nominatform Podarcis muralis muralis, deren Verbreitungsgebiet sich von Südosteuropa bis zum Balkan erstreckt.
Mittlerweile hat sich die Art deutlich weiter in Halle/Saale und Umgebung ausgebreitet. So gibt es neben dem botanischen Garten und angrenzendem Umfeld , Nachweise entlang des Riveufers ( Heinrich- Heine- Park, Burg Giebichenstein), dem Galgenberg, aber auch flussaufwärts der Saale in der Region Brachwitz und Burg Wettin. Weitere große Vorkommen befinden sich in Aschersleben, Schadeleben und dem Geiseltalsee. Auch die Regionen um Landsberg und Löbejün stehen im Verdacht, von der Mauereidechse besiedelt wurden zu sein.
Der Lebensraum
Während eingeschleppte Mauereidechsen in den alten Bundesländern häufig an Bahnanlagen zu finden sind, besiedelt sie in Sachsen- Anhalt vorallem Park-u. Kleingartenanlagen, sowie Stadtrandsiedlungen und Uferbefestigungen aus Bruchsteinen.
Dabei zeigt sich, dass der urbane Lebensraum mit seinem Mosaik aus Gebäuden, Mauern und Gärten dieser flinken, kletternden Art ein ideales Lebensumfeld bietet.
Als förderlich dürfte der Trend zu einer mediterranen Gestaltung der Gärten u. Vorgärten gesehen werden, sowie die vermehrte Errichtung fugenreicher Gabionenmauern.
Neuere Beobachtungen zeigen, dass die Mauereidechse nicht zwingend auf steinige oder felsige Biotope angwiesen ist, sondern auch besonnte Waldränder u.-lichtungen als Lebensraum angenommen werden.
Sie verdient deshalb die Bezeichnung Lebensraumopportunist und schafft es im Gegensatz zu unseren heimischen Eidechsenarten, selbst stark vom Menschen überformte, urbane Strukturen erfolgreich zu besiedeln.
Obwohl Mauereidechsen in teilweise enorm hohen Individuenzahlen menschennahe Lebensräume besiedeln, bleiben sie häufig lange von den Anwohnern unentdeckt.
Die Mauereidechse im Jahresverlauf
Im Gegensatz zur Wald-u. Zauneidechse unterbricht die Mauereidechse bei sonnigem Wetter im Winter ihre Ruhephase. Je nach Habitat und Untergrundmaterial verlässt sie ihr Versteck bei Sonnenschein auch schon bei Lufttemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Bei Temperaturen im niedrigen zweistelligen Bereich wird auch auf Insekten jagt gemacht. Erste Paarungen konnten bei günstigem Witterungsverlauf bereits Ende Februar beobachtet werden
Somit ist die Art bei uns ganzjährig aktiv, wobei die Hauptaktivitätszeit im Zeitraum von Mitte März bis Anfang November liegt.
Die Winterruhe verbringen nicht selten dutzende von Tieren in einem Versteck, wie in Nagerbauten, Hausverkleidungen, Stein-u. Holzhaufen sowie Mauerfugen. Dabei zeigen sie eine enorme Kältetoleranz. Durch Einlagerung von Glukose überleben sie eine Absenkung der Körpertemperatur auf unter - 3 °C ( Schulte et al ).
Kurz nach der Winterruhe kann man häufig viele Tiere beiderlei Geschlechts beim Sonnenbad beobachten. Mit Beginn der Paarungszeit und den damit verbundenen hormonellen Änderungen nimmt die Streitlust unter den Tieren zu. Es kommt zu Revierbildungen. Bei einer Überpopulation mit sehr vielen Tieren in einem begrenzten Lebensraum, wird das Territorialverhalten abgelegt und durch eine Art Rangordnungssystem ersetzt, wodurch kräfteraubende Kämpfe vermieden werden. Bis weit in den Juli, teilweise noch Anfang August können Paarungen beobachtet werden.
In den letzten Jahren zeichnete sich ab, dass die Mauereidechse in der Lage ist 3 Gelege in unseren Gefilden abzulegen und diese auch zum Schlupf kommen. Pro Gelege werden je nach Alter u. Ernährungszustand des Weibchens 5-10 Eier in leicht feuchtem Substrat vergraben oder einfach unter Steinplatten oder in Ritzen abgelegt.
Die Schlupfhöhepunkte sind in der Regel wie folgt:
Kohorte 1. Anfang bis Mitte Juli Kohorte 2: Mitte bis Ende August Kohorte 3: ab Mitte Oktober
Früher nahm man an, dass insbesondere die Spätschlüpflinge die Winterruhe nicht schaffen. Durch die Winteraktivität gelingt es jedoch selbst den Kleinsten durch eine geringe Nahrungs-u. vorallem Flüssigkeitsaufnahme einen normalen Winterverlauf zu überleben. Diese Fähigkeit ist einer der Gründe, warum es der Mauereidechse gelingt, innerhalb weniger Jahre einen neuen Lebensraum regelrecht zu überschwemmen.
Kannibalismus ist bei den Mauereidechsen weit verbreitet. Besonders in Individuenstarken Vorkommen dürfte das vertilgen von Schwänzen der Artgenossen aber auch die Prädation von Jungtieren einen nicht unbedeutenden Beitrag zur Bildung von Fettdepots für den Winter leisten.
Zur Nahrung der Mauereidechse gehören neben Insekten, Spinnen und anderen Gliedertieren auch Früchte, Blüten und Pollen .In menschlicher Nähe werden auch gerne Müllreste auf der Suche nach Nahrung durchstöbert. Erbeutete Kuchenkrümmel werden gierig verschlungen, Joghurtbecher ausgeleckt und Saftreste getrunken.
Die Mauereidechse vs Zauneidechse
So schön Mauereidechsen auch sind und das beobachten der Tiere Freude macht, so sind die negativen Auswirkungen auf ihr direktes Umfeld nicht zu unterschätzen. Durch ihre oft rasch anwachsenden Bestände und dem Individuenreichtum vieler Populationen haben sie als Topprädatoren einen entsprechenden Einfluss auf die Kleintierwelt ihrer Umgebung.
In den Fokus ist der Verdrängungseffekt auf die heimische Zauneidechse gerückt. Der flächendeckende Rückgang der Zauneideche hat vielfältige Gründe, wie zum Beispiel Lebensraumverlust, Rückgang der Insekten, aber auch streunende Katzen.
Je urbaner das Umfeld ist und je mehr vertikale Strukturen das Gelände hat, umso größer ist der negative Einfluss der Mauereidechse auch auf die Zauneidechse. Habitate mit großen, mageren Wiesenflächen bieten der Zauneidechse oft noch die Möglichkeit dem Konkurrenzkampf mit den Mauereidechse auszuweichen. Solche Lebensräume finden sich zum Beispiel in ehemaligen Kohletagebauen wie dem Geiseltal-o. Concordiasee. Hier verliert die Zauneidechse zwar teilweise Lebensraum an direkten Strukturen wie Steinschüttungen, was nicht die adulten Tiere betrifft, läuft aber nicht Gefahr einer vollständigen Verdrängung durch die Mauereidechse, weil genügend Schlüpflinge in der Peripherie überleben.
Anders verhält es sich in einem sehr strukturreichen oder urbanen Umfeld, wie Kleingartenanlagen, Bahnanlagen oder Friedhöfen. Hier ist es für die Zauneidechse schwer sich dauerhaft gegen die Mauereidechse zu behaupten. In solchen Lebensräumen spielt die Mauereidechse ihre Stärken aus.
Wie schafft es aber nun die deutlich kleinere Mauereidechse die größere Verwandte zu verdrängen?
Zunächst kann man sagen, dass sich die adulten Tiere beider Arten kaum gegenseitig behelligen und häufig bei einem gemeinsamen Sonnenbad zu beobachten sind. Der Grund für den Verdrängungseffekt liegt an der Prädation der Jungtiere durch adulte und subadulte Mauereidechsen.
Zwar jagen und fressen adulte Zauneidechsen auch die Jungtiere der Mauereidechse, aber mit weit weniger negativen Auswirkungen. Denn zum einen ist die Reproduktionsrate mit bis zu 3 Gelegen bei der Mauereidechse deutlich höher und kann Verluste eher ausgleichen zum anderen schlüpfen bei der Mauereidechse immer noch Jungtiere, wenn ein Großteil der adulten Zauneidechsen bereits in der Winterruhe ist. Eine wesentliche Rolle spielt, dass Mauereidechsen durch die stärkere Nutzung vertikaler Strukturen in einer viel höheren Individuendichte vorkommen können und die langsameren Zauneidechsenschlüpflinge eine leichte Beute für adulte und subadulte Mauereidechsen sind. Selbst wenn nicht das ganze Zauneidechsen Jungtier gefressen wird, so büßt es oft seinen Schwanz ein. Dieses wichtige Fettdepot für den Winter fehlt dann dem Schlüpfling und verringert die Chancen für eine erfolgreiche Überwinterung erheblich. Somit bleibt dann der Nachwuchs bei den Zauneidechsen aus und mit dem sterben der Alttiere verschwindet das Vorkommen der Zauneidechse nach wenigen Jahren.
Mauereidechsen sind in ihrem Erscheinungsbild sehr variabel. Sowohl die Farbgebung, die von diversen Brauntönen bis hin zu Gelb-u. Grünfärbung reicht, als auch die Körperzeichnung selbst ,können auch innerhalb der gleichen Population sehr unterschiedlich ausfallen.
Die Mauereidechse vs. Hauskatze
Streunende Hauskatzen sind ein bekanntes, ernstzunehmendes Problem in Hinblick auf die Jagd nach heimischen Vögeln, Kleinsäugern und Reptilien.
So konnte beobachtet werden, dass ganze Zauneidechsenbestände nach dem Auftauchen von Katzen im Lebensraum erhebliche Bestandseinbußen verzeichneten oder gänzlich verschwanden. Auch wenn Katzen sehr individuell sind und nicht jedes Tier ein ausgesprochener Jäger ist, sollte von unkontrollierten Freigängen bei Katzen abgesehen werden.
Während die Zauneidechse als vorwiegender Bodenbewohner die herannahende Katze oft zu spät bemerkt und die Eidechse weit weniger agil und flink ist, als es ihr Name vermuten lässt, ist sie oft eine leichte Beute. Meist fällt sie dem Spieltrieb der Katze zum Opfer ohne danach gefressen zu werden.
Anders verhält es sich bei der Mauereidechse. Durch ihre oft erhöhte Sitzposition nimmt sie sich anschleichende Katzen deutlich früher war und kann rechtzeitig flüchten. Des Weiteren sitzen Mauereidechsen häufig so, dass sie nur von einer Seite angegriffen werden können, was ein unbemerktes Herranschleichen extrem erschwert. Hinzu kommt die ausgesprochene Wendigkeit u. Schnelligkeit der Mauereidechse, was es der Katze nicht leichter macht sie zu fangen.
Die Mauereidechse reagiert bei Gefahr und Angriff mit der Entleerung des Darms und Abgabe von übelriechendem Analsekret, ähnlich wie es von Ringelnattern bekannt ist. Das erhöht nicht gerade ihre Attraktivität als Beute. Erfahrene Katzen dürften daher eher auf das zweifelhafte Vergnügen verzichten mit einer Mauereidechse zu spielen.
Es verwundert daher nicht, dass es selbst in Katzenreichen Gegenden bestandsstarke Mauereidechsenvorkommen gibt.
Aussetzung und Verschleppung
War vor einigen Jahren noch meist ein aktives Ansiedeln durch Aussetzung der Grund für das Enstehen von allochthonen Mauereidechsenvorkommen, spielt nun mehr und mehr die Einschleppung durch den internationalen Warenverker eine wesentliche Rolle.
Besonders auf die Einfuhr von Pflanzen aus dem mediterranen Raum sei hier hingewiesen, was mehrere Vorkommen der Mauereidechse in anderen Bundesländern in unmittelbarer Nähe zu großen Gartencentern belegen.
Es wird dabei angenommen, das neben Verschleppung von adulten Tieren, zunehmend Gelege, die in den großen Pflanzkübeln von Olivenbäumen und Hanfpalmen vergraben sind, zu einer raschen Verbreitung der Mauereidechse beitragen.
Der Grund warum Mauereidechsen ihre Eier in den Kübeln vergraben dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass diese Pflanzen im Ursprungsgebiet weit regelmäßiger gewässert werden, als die natürliche Vegetation in ihrer Umgebung. Da die Mauereidechsen feuchtes Bodensubstrat für ihre Gelege benötigen, werden sie dazu animiert ihre Eier in den Kübeln abzulegen,teilweise sogar als gemeinschaftliche Masseneiablageplätze. Versuche haben diese These bestätigt.Gleiches gilt im Übrigen auch für die Ruineneidechse.
Es bedarf nicht viel Phantasie zu erahnen was passiert, wenn die Gelege in einem geeigneten Umfeld schlüpfen, so zum Beispiel in einem Gartenmarkt, Kleingarten oder Reihenhaussiedlung.
Wenn der Boom der mediterran gestalteten Gärten weiter anhält ist mit einer deutlichen Zunahme von Mauereidechsenvorkommen zu rechnen.
in Halle/Saale ist eine weitere zügige Verbreitung und Verschleppung der Art innerhalb der Stadt zu erwarten. Des Weiteren geben Funde entlang der Saale Hinweise, dass sich die Mauereidechse flussaufwärts ausbreitet.
Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Region um den Geiseltalsee gelegt werden, da das Umfeld das Potential hat in kurzer Zeit ein sehr großes Vorkommen zu beherbergen.
Autor: Steve Hahnemann
Literaturtipps zum Thema Mauereidechsen
U. Schulte
"Die Mauereidechse- erfolgreich im Schlepptau des Menschen" ISBN 978-3-933066-36-7
C. u. A. Schäberle
" Eingeborene u. Reingeschmeckte - Reptilien Deutschlands"
U. Schlüter
"Die Mauereidechse"
ISBN-13: 9783866591455
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